Damit ein Feuer ausbricht, braucht es Sauerstoff, brennbares Material und ausreichend Hitze im richtigen Verhältnis. Zum Löschen braucht es ein Löschmittel, Geräte, Fahrzeuge und eine Mannschaft. Außerdem eine Einsatzleitung, die die Anweisungen gibt und dazu stets den Überblick haben muss: Welche Löschmittel, Geräte, Fahrzeuge und Einsatzkräfte stehen zur Verfügung? Wo brennt es in welchem Ausmaß? Wo sind betroffene Personen? Welche besonderen Gefahren könnten den Einsatzkräften begegnen? Das kann bei einer großen Lage ziemlich komplex werden. Früher musste jede dieser Informationen selbst erkundet oder per Funk oder Telefon an die Einsatzleitung weitergetragen werden. Heute ist das anders: Die moderne Einsatzstelle ist digitalisiert.
Moderne Möglichkeiten schaffen moderne Probleme
In der Regel nutzen Einsatzleiter/-innen heute eine Einsatzleitsoftware. Im Idealfall wird diese nicht mehr händisch mit Informationen gefüttert, sondern automatisiert mit Live-Daten aller Einsatzmittel und -kräfte gespeist. Eventuell laufen auch Prozesse wie die Atemschutzüberwachung bereits automatisiert ab. So kennt die Einsatzleitung jederzeit die Lage, auch ohne ständige Statusabfragen per Funk. Eine echte Arbeitserleichterung!
Doch in der Praxis tritt oft ein Problem auf: Unterschiedliche Schnittstellen können den Datenaustausch blockieren, beispielsweise kann es vorkommen, dass eine Einsatzleitsoftware nur die Fahrzeuge von einem bestimmten Hersteller verwalten kann. Denn die heutige Marktrealität kennt vornehmlich herstellerabhängige Insellösungen.
Vision „IMBOS“
Ein Verbund aus fünf Unternehmen hat sich das Ziel gesetzt, dieses Problem zu lösen. Der Name: IMBOS, kurz für „Informations-Management für BOS“ (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben). Es vernetzt Informationen, die für eine Sicherheits- und Bereitschaftsbeurteilung einer Lage, eine effektive Einsatzführung und das Management von Einsatzkräften, Fahrzeugen und Ausrüstung entscheidend sind und macht sie live einsehbar.
Die Besonderheit: IMBOS soll für Produkte aller Hersteller offen sein. „Wir sind fest davon überzeugt, dass es nicht noch ein weiteres herstellerabhängiges System braucht“, betont Johannes Taglang (Fa. Ziegler).
IMBOS stellt somit dem Nebeneinander zahlreicher einzelner IM-Systeme eine übergreifende Lösung entgegen. Das Stichwort lautet „Standardisierung“: Universale Schnittstellen und Softwarekonfigurationen, die alle interessierten Hersteller in ihr Produktportfolio integrieren können, stellen die Vernetzbarkeit sicher. „IMBOS soll gewissermaßen das Schweizer Taschenmesser sein, das für alle Einsatzsituationen funktioniert“, fasst es Peter Breuer zusammen. Er ist mit seinen Unternehmen MP-BOS und Prodico am Projekt beteiligt. Die weiteren Projektpartner sind die Eurocommand GmbH, die Albert Ziegler GmbH und die ZF Friedrichshafen AG. Man verstehe sich nicht als geschlossene Gruppe, sondern jeder Hersteller sei eingeladen, Teil von IMBOS zu werden – so gaben es Vertreter aller fünf Unternehmen auf der Rettmobil im Mai 2023 bekannt.
Für kompatible Hard- und Softwarelösungen wird das Label „IMBOSready“ vergeben. Es garantiert, dass die damit gekennzeichneten Produkte die vordefinierten Standards für die Einbindung in das IMBOS-Cloud-Netzwerk erfüllen.
Bestandteile von IMBOS
Derzeit enthält IMBOS Komponenten aus Führungsunterstützung, Verwaltung und Remote-Services (z. B. für Wartung und Diagnostik) sowie einzelne Connectivity-Produkte:
- IMBOS ID: Authentifizierung
- IMBOS Interface: Universelle Schnittstelle
- IMBOS Dashboard: Nutzoberfläche
- einzelne Connectivity-Produkte, z. B. „Crew Tags“
Expertennetzwerk
IMBOS will als offene Plattform für Notfalldienste ein europaweites Netzwerk von Expertinnen und Experten werden. Daher entschied man sich für die Organisationsform des gemeinnützigen Vereins. Der Vereinszweck besteht darin, die Digitalisierung und IT-Sicherheit im Bereich Gefahrenabwehr, Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz zu fördern. Der Verein hat insbesondere folgende Aufgaben:
- Er stellt eine digitale Plattform für den Austausch und die Vernetzung von Hilfsorganisationen und Behörden in Europa zur Verfügung.
- Er definiert Standards, um diesen Informationsaustausch sicher zu gestalten.
- Er erarbeitet ein Konzept zur Wahrung des Datenschutzes.
- Er schafft eine Dialogplattform durch Arbeitsgruppen, Fachtagungen und die Teilnahme an Fachmessen.
- Er beteiligt sich an Forschung und Entwicklung.
- Er kooperiert mit Fachverbänden, Behörden und Herstellern und wirkt an der Normungsarbeit mit.
Für Großschadenlagen möchte der Verein eine „IMBOS Taskforce“ zur Verfügung stellen, die im Rahmen des Disaster-Response-Programs (DRP) angefordert werden kann.
Beispiel: Brandeinsatz
Wie sähe der eingangs erwähnte Brandeinsatz aus, wenn die Einsatzleitung IMBOS nutzt? Schon auf der Anfahrt zum Gebäudebrand erhält die Einsatzleiterin über die mobile Einsatzleiter-App (Eurocommand) Informationen und Daten zum Gebäude, etwa, dass es nicht über eine BMA verfügt, dass es sich um ein Wohnhaus mit mehreren Wohneinheiten handelt und darin 13 Personen gemeldet sind. In der App sieht sie den Status der eigenen Fahrzeuge ein: Diese sind mit der „VCU Pro Vehicle On-Board-Unit“ (ZF Friedrichshafen AG) ausgestattet, einem Gateway, das den CAN BUS des Fahrzeugs (Ziegler) mit der ZF Rescue Connect Cloud verbindet – deren Daten wiederum über eine spezielle Bridge (Prodico) auf der Einsatzleiter-App abrufbar sind. Auch die mitgeführte Tragkraftspritze und der Dachwerfer sind mit der Cloud verbunden, über fest verbaute „Equipment On-Board Units“.
An der Einsatzstelle angekommen, übernimmt unsere Einsatzleiterin die Gesamteinsatzleitung und muss auch Fahrzeuge, Geräte und Mannschaft einer mitalarmierten Nachbarfeuerwehr verwalten. Deren Fahrzeuge und Geräte sind nicht mit On-Bord-Units ausgestattet, doch das ist kein Problem: In die Zigarettenanzünder der Fahrzeuge werden „Vehicle Tags“ gesteckt (ZF Friedrichshafen). Mit diesen Gateways als Plug-and-Play-Lösung lassen sich auch die Fahrzeuge der Nachbarwehr ad hoc vernetzen. Jede Einsatzkraft erhält einen „Crew Tag“ im Scheckkartenformat, der sie mit der Cloud vernetzt. Darauf könnten Daten wie ihre Fähigkeiten (z. B. Atemschutztauglichkeit) vermerkt werden. Analog dazu funktionieren die „Life Tags“ für betroffene Personen, über die z. B. ihre Triage-Kategorie vermerkt ist.
Nun hat die Einsatzleiterin einen kompletten Live-Überblick über Status und Aufenthaltsort der eingesetzten Kräfte und Fahrzeuge sowie der Patienten. Sie verfügt über Live-Daten, die sie sonst nur durch Erkundungen vor Ort und Befragungen erlangen könnte. So kann sie Entscheidungen schneller und zielgerichteter treffen. Im Nachgang kann sie die im Einsatz gesammelten Daten für ihren Einsatzbericht
nutzen und sie an die Werkstatt weiterleiten, die direkt weiß, welche Geräte zu warten sind, und sie kann ihre Abrechnung erstellen (über Komponenten von MP-BOS).
Eine Sonderanwendung gibt es für die „Equipment Tags (tragbare Gateways für Ausrüstungsteile): An eigens konzipierte Hundehalsbänder gehängt, können sie die Bewegungen von Rettungshunden bei einer Personensuche verfolgen, sodass immer klar ist, welche Bereiche bereits abgesucht sind.
Alle im Beispiel genannten Produkte und Marken sind exemplarisch.
Wie geht es weiter?
Am 5. April 2023 versammelten sich die Gründungsmitglieder Albert Ziegler GmbH, Eurocommand GmbH, MP-BOS GmbH, Prodico GmbH, ZF Friedrichshafen AG sowie die Einzelpersonen Sascha Pomp und Peter Breuer in Berlin, um die Vereinsgründung zu beschließen. Als erster Vorsitzender des Vereins wurde der Geschäftsführer der Eurocommand GmbH Sascha Pomp, als sein Stellvertreter der Geschäftsführer der MP-BOS GmbH Peter Breuer einstimmig gewählt. Unter ihrer Führung wurde der gemeinnützige Verein IMBOS e. V. inzwischen im Vereinsregister in Berlin unter der Vereinsnummer „VR 40527 B“ eingetragen, was einen bedeutenden Meilenstein darstellt.
Hier geht es zum Beitrag:
https://www.feuerwehr-ub.de/technik/vernetzung-an-der-einsatzstelle-das-projekt-imbos/